Zombie Scrum
Das Framework Scrum wird in einer Organisation dann zum Zombie Scrum, wenn die ursprünglichen Ideen und Leitlinien nicht konsequent umgesetzt und gelebt werden. Das Ergebnis:
Das eigentlich kraftvolle, inspirierende und lebendige Framework kann nicht richtig wirken und sich entfalten, stirbt ab und bringt deinem Unternehmen so auch keine Vorteile. Es wird stattdessen wie ein Zombie (= seiner Seele beraubter Untoter) mitgeschleppt, "vegetiert" vor sich hin und "infiziert" im schlimmsten Fall die Arbeitsatmosphäre.
Symptome von Zombie Scrum
Du erkennst mit Zombie Scrum infizierte Unternehmen an folgenden Symptomen:
- Skepsis, Frust und Unmut herrschen bei der Arbeit anstelle von Freude und Inspiration.
- Scrum Master und Product Owner werden als Vorgaben machende und kontrollierende Team Leader betrachtet statt als unterstützende Facilitator. Sie nehmen selten bis gar nicht an Sprint Review oder Sprint Planning teil.
- Die Teilnahme an den Daily Meetings schwankt, die Meetings werden verschoben oder finden nur noch unregelmäßig statt.
- Andere Scrum Events wie Sprint Planning und Review fallen immer wieder aus, werden gar nicht erst geplant oder ohne Timeboxes unnötig in die Länge gezogen.
- Mitglieder des Scrum Teams trauen sich nicht, offen Fehler einzugestehen oder Verbesserungen vorzuschlagen.
- Der Product Backlog wird nicht konsequent gepflegt und aktualisiert.
- Im Scrum Team häufen sich zu erledigende Tasks, die nicht im Sprint vorgesehen sind.
- Wichtige Informationen werden nicht (vollständig) weitergegeben.
- Key Stakeholder schicken Change Requests nur noch per E-Mail an einzelne Mitglieder des Scrum Teams, anstatt persönlich am Sprint Review teilzunehmen.
- Der Fokus auf Wünsche von Kunden und Stakeholdern fehlt. Es werden stattdessen Dinge nach den Ideen einzelner Leader entwickelt.
- Das Scrum Team liefert keine komplett integrierten Product Inkremente. Es legt beispielsweise die Definition von fertiger / funktionierender Software sehr großzügig aus oder orientiert sich gar nicht erst an solch einer Definition.
- Hindernisse innerhalb der Scrum Teams und der Organisation werden nicht behoben und es findet kaum Learning statt.
- Es gibt im Scrum Team so gut wie keine emotionale Reaktion auf einen fehlgeschlagenen oder erfolgreichen Sprint.
- Items, die im Sprint nicht erledigt wurden, werden wie selbstverständlich in folgende Sprints verschoben. Oder die Länge des Sprints wird nach Belieben angepasst.
- Es ist keine Ambition erkennbar, die Situation zu verbessern.
Welche Faktoren fördern die Entwicklung von Zombie Scrum?
Entwickelt ein Unternehmen unbewusst Zombie Scrum, liegt das meist weniger an einzelnen Personen, sondern mehr an tief verankerten Mechanismen im System, die sich mit den Werten von Agile beißen. Hier einige Beispiele:
- Kontrolle abgeben und Vertrauen fallen schwer: Wenn sich bisherige Entscheidungsträger schwer damit tun, Teams eigenverantwortlich arbeiten zu lassen, kann Self-Management / Self-Organization und damit schnelles Reagieren nicht richtig stattfinden. Auch Kunden-Beziehungen, die nicht auf Vertrauen basieren, behindern self-managing Teams in ihrem Continuous Improvement. Besonders dann, wenn einfach nur strikte (teils veraltete) Vertragsvorgaben abgearbeitet werden sollen.
- Veränderung fällt schwer: Besonders in sehr traditionellen Unternehmen wird die Einführung neuer Arbeitsweisen oft als bedrohlich angesehen. So kommt es zu schleppender oder halbherziger Implementierung.
- Transparenz fällt schwer: In hierarchisch geprägten Unternehmen kann es eine Hürde sein, Transparenz und offene Kommunikation in alle Richtungen wirklich zu leben.
- Es gibt keine gesunde Fehler-Kultur: Fehler werden nicht als Chance für schnelle Verbesserung gesehen, sondern als etwas, das es zu vermeiden und vertuschen gilt.
- Scrum wird nicht richtig und nur lückenhaft eingeführt: Sind die Säulen und Vorteile des Scrum Frameworks nicht allen Mitarbeitern klar, fehlt oft der Wille, die Veränderung mitzutragen.
- Das Unternehmen arbeitet nicht komplett nach Scrum: Arbeitet beispielsweise nur das Development Team mit dem Scrum Framework, fehlen oft Verständnis und Rückhalt im Rest der Organisation. Das macht kooperative Prozesse innerhalb des Unternehmens besonders schwerfällig - ebenso Abhängigkeiten von anderen Teams oder dem Management.
- Fokus auf dem gewünschten Erfolg fehlt: Wenn Scrum nur eingeführt wird, weil "das gerade alle machen", wäre für die vorliegenden Herausforderungen vielleicht eine andere Lösung passender gewesen.
- Ziele, Sinnhaftigkeit und Wert-Verständnis fehlen: Ohne gemeinsame Ziele und ohne eine Einstellung, die sich an dem Wert für den Kunden (value-driven) orientiert, fehlen Sinn, Dringlichkeit und Commitment in der Arbeit. Scrum kann in einem solchen Arbeitskontext nicht gedeihen.
Wie kannst du Zombie Scrum in deinem Scrum Team vermeiden oder heilen?
Ein Unternehmen, das mit dem Scrum Framework auf eine gesunde und konsequente Weise ("healthy Scrum") arbeitet, erkennst du an der vorherrschenden Lebendigkeit. Diese kannst du z. B. in folgenden Punkten fördern, um Zombie Scrum zu vermeiden oder zu heilen:
- Regelmäßige Reflektion: Nutze mit deinem Scrum Team die Retrospektive - nicht nur um immer wieder alte Probleme zu adressieren, sondern auch, um groß zu träumen und Continuous Improvement zu fördern.
- Rege Feedback-Kultur: Es sollte eine offene Kommunikationskultur herrschen, in der sich jeder trauen kann, Fehler, Learnings und Verbesserungen offen anzusprechen.
- Ständiger Austausch: Die Kommunikation findet nicht nur innerhalb der Teams statt, sondern auch mit anderen Teams, Stakeholdern, Kunden und dem Markt. Das fördert nicht gegenseitiges Verständnis und Vertrauen.
- Gespräche über mögliche Verbesserungen der Situation: Anstatt einen Zustand der Resignation zu akzeptieren, sollten regelmäßig Gespräche über mögliche Verbesserungen stattfinden (eventuell mit externen Scrum Experten bzw. Agile Coaches). Das fördert die Bereitschaft, sich weg von Zombie Scrum hin zu healthy Scrum zu entwickeln.
- Gelebte Selbstorganisation der Teams: Die Mitglieder eines gesunden Scrum Teams organisieren und motivieren sich selbst. Es bedarf keiner klassischen Kontrolle "von oben".
- Sinn und Commitment fördern: Dies schaffst du z. B., indem du im Sprint Planning das Team fragst, welchen Impact sie im nächsten Sprint nehmen möchten, welchen Wert sie für den Kunden kreieren wollen etc. Im Daily Scrum schaut ihr euch dann an, welchen Fortschritt das Team in Richtung seiner Impact-Ziele und des Sprint Goals bereits erreicht hat.
- Gefühl gesunder Dringlichkeit: Neigt dein Team dazu, Sprints zu verlängern? Dann kann es helfen, einen 3- oder 4-wöchigen Sprint auf 2 Wochen zu verkürzen. Das fördert Fokus und Commitment.
- Konsequente Scrum Einführung von Anfang an: Es kann sich lohnen, entweder eines oder mehrere Mitglieder deines Teams im Scrum Framework schulen und in Rollen wie Scrum Master oder Product Owner ausbilden zu lassen. Oder dein Unternehmen lässt sich bei der Einführung von Scrum durch externe Experten unterstützen. So ist sichergestellt, dass Scrum von Anfang an konsequent und richtig eingeführt wird und die Rollen förderlich gelebt werden.
Mehr über Zombie Scrum
Wenn du mehr über Zombie Scrum anhand praktischer Beispiele erfahren möchtest, lohnt sich ein Blick in das Buch "Zombie Scrum Survival Guide" von Christiaan Verwijs, Johannes Schartau und Barry Overeem (erschienen 11/2020).