Eine Struktur für Produktorganisationen
In früheren Artikeln habe ich bereits über die Hauptrollen in Produktorganisationen geschrieben – Produktmanager, Projektmanager, Interaction und Visual Designer, Usability Engineers, Prototyper, Entwickler, Architekten, QS-Beauftragte und Mitarbeiter im Produktmarketing. Außerdem habe ich über das Verhältnis zwischen diesen einzelnen Rollen geschrieben. Viele Organisationen haben aber auch Probleme mit der Organisationsstruktur, in der diese Personen eingebettet sind. Ich habe schon viele verschiedene Organisationsstrukturen gesehen und ich glaube, dass sich über die letzten Jahre eine Standardstruktur für Produktorganisationen herausgebildet hat – und dafür gibt es gute Gründe.
Ich muss zugeben, dass ich der Organisationsstruktur nicht so viel Wichtigkeit beimesse wie den einzelnen Rollen und Verantwortlichkeiten. Ich denke, dass die meisten Organisationsstrukturen funktionieren können, wenn man die Rollen richtig definiert und ein gutes und sinnvolles Management hat. Ich habe auch kein wirkliches Problem damit, eine Organisation auf den Stärken der jeweiligen Führungskräfte aufzubauen, anstatt die Struktur einer anderen erfolgreichen Produktorganisation zu übernehmen.
Wir alle wissen, dass Organisationsstrukturen eine Veränderung des Verhaltens hervorrufen können und ich behaupte, dass die Effektivität Ihrer Produktorganisation – unter sonst gleichen Bedingungen – durch die von mir im Folgenden beschriebene Struktur zum Teil grundlegend verbessert werden kann.
Bitte beachten Sie, dass ich hier nur über die Produktorganisation spreche und nicht über andere wichtige Bereiche Ihres Unternehmens wie den Verkauf, den Kundenservice, die Finanzabteilung, die Abteilung für Business Development oder die IT-Abteilung (im Gegensatz zur Produktentwicklung).
Drei wichtige Rollen in Produktorganisationen
Meines Erachtens braucht jeder CEO/COO oder Bereichsleiter drei unterschiedliche und klar definierte Rollen in seinem Mitarbeiterstab, die für Produktmanagement und -design, Marketing bzw. die Produktentwicklung verantwortlich sind. Daher ist der wichtigste Aspekt, den es bei der Organisationsgestaltung zu beachten gibt, dass diese drei Rollen einen hohen Rang einnehmen und sich nicht überschneiden sollten.
Die Berichterstattung an den CEO/COO eines kleinen oder mittelständischen Unternehmens bzw. an die Bereichsleiter von großen Unternehmen sollte also folgende Punkte enthalten:
Das Marketing beinhaltet Unternehmensmarketing, Marketingkommunikation, Field Marketing und Produktmarketing.
Produktmanagement und -design: Dazu gehören Produktmanagement, User Experience Design (Interaction Design/Informationsarchitektur, Visual Design, Prototyping, User Research/Usability Engineering) und gegebenenfalls fachliche Experten.
Zur Produktentwicklung gehören Architektur, Entwicklung, Qualitätssicherung, Releasemanagement, Betrieb der Webseite (für SaaS-Unternehmen) und Projektmanagement (PMO – Project Management Office).
Anmerkungen zu Produktorganisationen
Bitte beachten Sie, dass das IT-Team (das technische Team, das die Belegschaft unterstützt) bewusst von der Produktentwicklungsorganisation getrennt ist. Diese beiden Gruppen sind grundlegend verschieden und müssen daher auch individuell behandelt werden. Die Stellenbezeichnungen sehen dabei folgendermaßen aus: der “Chief Information Officer” leitet normalerweise die IT-Organisation und der “Chief Technical Officer”, “Vice President Product Development” bzw. “VP Engineering” leitet die Produktentwicklungsorganisation.
In manchen Unternehmen ist das PMO dafür da, dem Top-Management Bericht zu erstatten und das ist auch vollkommen in Ordnung. Meistens ist es jedoch Teil der Produktentwicklungsorganisation, weil die große Mehrheit der Ressourcen, mit denen die Projektmanager zu tun haben, ein Teil dieser Organisation sind. Dadurch ist der Leiter der Produktentwicklung in der Lage, die volle Verantwortung für die Umsetzung des Produkts und dessen Auslieferung zu übernehmen. In jedem Fall ist es wichtig, dass die Projektmanager dem PMO Bericht erstatten.
Wenn das User Experience Design entweder im Marketing oder in der Produktentwicklung untergebracht ist, ist das ein Problem. Es ist nämlich von großer Bedeutung, dass das User Experience Team und vor allem die Interaction Designer sehr eng mit den Produktmanagern zusammenarbeiten. Und das ist der Grund dafür, Produktmanagement und Produktdesign in einer einzigen Organisation zu vereinen (jedoch sollten beide Bereiche eigene Leiter haben – der Leiter des Produktmanagements ist für die Produktstrategie zuständig und der Leiter der User Experience für die allgemeine Informationsarchitektur und Gestaltung der Webseite/Software).
Im Marketing gibt es normalerweise auch einige Grafikdesigner, die die Marketingprogramme und die Werbung unterstützen. Sie können aus dem Visual Design Team der UX-Organisation stammen. Ich bevorzuge es allerdings, wenn sie Teil der Marketingorganisation sind. Eine starke User Experience erfordert kontinuierliche Aufmerksamkeit sowohl im Hinblick auf das Interaction Design als auch auf das Visual Design der Applikation. Diese Gruppe sollte von jemandem geleitet werden, der weiß, was es heißt, ein Produktteam zu unterstützen. Wenn es nur einen Creative Director gibt, der sowohl etwas vom Visual Design für das Produkt als auch vom Visual Design für das Marketing versteht, ist das großartig für das Unternehmen, weil eine einzige Gruppe so beide Bereiche abdecken kann und die Marke dadurch nach außen sehr einheitlich wirkt. Kommt der Leiter des Visual Design Teams jedoch aus dem Marketing und versteht nicht, was das Produkt erfordert, muss man diese Situation schnellstmöglich korrigieren.
User Research wird manchmal vom Usability Engineering getrennt und das ist auch in Ordnung. Verwechseln Sie aber nicht User Research mit Usability Research. User Research bezieht sich auf die demografischen Hintergrunddaten zu den Nutzern bzw. auf die Erforschung des Kunden-/Kaufverhaltens. Es ist nicht ungewöhnlich, wenn User Research in der Marketingorganisation zu finden ist. Das funktioniert aber nur, solange die Produktmanager und die Interaction Designer direkten Zugang und ein gutes Verhältnis zu den User Researchern haben. Usability Research ist im Gegensatz dazu eine spezifische Erforschung von Personas, Prototypen oder der Fähigkeit der Nutzer, das Produkt bedienen zu können. Die Forscher leiten ihre Ergebnisse direkt an die Interaction Designer, Visual Designer und Produktmanager weiter und es ist sehr wichtig, dass sie ein fester Bestandteil des User Experience Design Teams sind. Dann können sie die Ergebnisse ihrer Arbeit nämlich mit den anderen Teammitgliedern teilen und ihre Forschung so timen und managen, dass sie während der Product Discovery schnell Feedback bekommen.
Manchmal ist das Produktmarketing ein Teil des Produktmanagements. Das ist kein wirkliches Problem, es gibt sogar einige Vorteile dabei. Trotzdem finde ich es besser, wenn e im Marketing untergebracht wird, denn das bestätigt die Definition der Rolle und stellt sicher, dass Produktmanagement und Produktmarketing klar voneinander getrennt werden können. Aber auch wenn Produktmanagement und Produktmarketing ein Teil der selben Organisation sind, sollten die beiden Rollen nicht miteinander verbunden werden.
Start-ups sind ein besonderer Fall, denn sie sind typischerweise so klein, dass die Organisationsstruktur nicht so wichtig ist wie persönliche Eigenschaften und individuelle Fähigkeiten. Aber denken Sie daran, wenn alles gut läuft, werden sie schnell wachsen und dann sollte man besser früher als später eine effektive Organisation einführen.
So funktionieren gute Produktorganisationen
Sollte Ihre Organisation nicht derart strukturiert sein aber dennoch wunderbar funktionieren, müssen Sie auch nicht notwendigerweise etwas ändern. Wenn Ihr Team aber Probleme hat und es besonders mühsam ist, gute Produkte zu entwickeln, dann sollten Sie darüber nachdenken, das hier beschriebene Modell umzusetzen und zu schauen, ob das eine Verbesserung mit sich bringt.
Vielen Dank an Chuck Geiger und Kyrie Robinson für ihre Beiträge zu diesem Artikel.
Dieser Text stammt aus dem Blog von Marty Cagan und wurde von uns ins Deutsche übersetzt.
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