Der Chief Product Owner bei großen agilen Projekten

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Mike Cohn
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Die Rolle des Product Owners in einem Scrum-Projekt kann sehr anspruchsvoll sein.

Bei allen Scrum-Projekten ist der Product Owner hin- und hergerissen zwischen nach innen und nach außen gerichteten Bedürfnissen, die es zu befriedigen gilt. Zu den nach innen gerichteten Aufgaben gehört die Teilnahme an Planning Meetings, Sprint Reviews, Sprint Retrospektiven und Daily Scrums sowie die Pflege des Backlogs, die Beantwortung von Fragen im Team und die Tatsache, einfach für das Team während des Sprints erreichbar zu sein.

Die nach außen gerichteten Aufgaben eines Product Owners in Scrum bzw. Agile sind beispielsweise, mit Nutzern über deren Bedürfnisse zu sprechen, Nutzerumfragen zu erstellen und auszuwerten, Kundenbesuche, Besuche auf Fachmessen, das Managen der Erwartungen der Stakeholder, Priorisieren des Backlogs, Preiskalkulation, Entwicklung einer mittel- und langfristigen Produktstrategie, Beobachtung von Industrie- und Markttrends, Durchführung von Wettbewerbsanalysen u.v.m

Zu viel Arbeit für einen einzigen Product Owner

In einem Projekt mit einem Entwicklungsteam kann die Menge an Arbeit groß, aber dennoch zu bewältigen sein. In einem großen Projekt mit mehreren Scrum-Teams sind die Aufgaben der Scrum Product Owner Rolle jedoch zu viel für eine einzelne Person, was bedeutet, dass wir Skalierungsmöglichkeiten finden müssen.

Wenn ein Projekt mehrere Scrum-Teams umfasst, wird idealerweise für jedes Team ein neuer Product Owner gefunden. Wenn man keine eins-zu-eins Situation zwischen Teams und Product Ownern schaffen kann, sollte man zumindest versuchen, nicht mehr als zwei Teams pro Product Owner zu haben. Das ist normalerweise das Maximum, mit dem ein Product Owner noch effektiv arbeiten kann.

An einem gewissen Punkt in einem wachsenden Projekt kann es Sinn machen, eine Hierarchie von zusammenarbeitenden Product Ownern einzuführen. Die folgende Grafik zeigt eine solche Hierarchie, bei der jeweils ein Product Owner pro Team zur Verfügung steht, zwei Product Line Owner jeweils für eine Gruppierung von Teams sowie ein Chief Product Owner mit den Fähigkeiten und Kenntnissen eines Advanced Product Owner. Je nach Größe des Projekts können natürlich weitere Ebenen hinzugefügt oder entfernt werden.

Verantwortung teilen, Funktionalität trennen

Ein Chief Product Owner ist verantwortlich für die Vision und das Ziel des gesamten Produkts oder der Produkt-Suite. Der Chief Product Owner vermittelt diese Vision dem gesamten Team in einem Meeting, via E-Mail, bei Team-Treffen oder allen anderen Gelegenheiten, die sich bieten.

Allerdings ist der Chief Product Owner mit ziemlicher Sicherheit zu beschäftigt, um als der tatsächliche Product Owner für eines der fünf- bis neunköpfigen Entwicklungsteams zu arbeiten. Auf dieser Ebene muss sich ein Chief Product Owner zu sehr um die externen Anforderungen kümmern.

Ein guter Chief Product Owner wird sich auch persönlich um die Teams kümmern – er wird gelegentlich an den Daily Scrums teilnehmen, und wenn möglich, immer mal wieder bei den Teams vorbeischauen und Unterstützung und Feedback anbieten. Der Chief Product Owner wird darauf vertrauen müssen, dass die Product Line Owner und die Product Owner sich um alle Einzelheiten ihrer Produktsegmente innerhalb der Vision des Gesamtprojekts kümmern werden.

Beispiel eines Chief Product Owners und eines Product Line Owners

Nehmen wir einmal an, wir würden eine Büro-Suite entwickeln wollen, die Textverarbeitung, Tabellen, eine Präsentationssoftware und eine persönliche Datenbank enthalten soll. Es ist nicht leicht, mit Microsoft Office, Google Apps oder anderen Produkten zu konkurrieren, aber unser Chief Product Owner lässt sich davon nicht einschüchtern.

Weil der Chief Product Owner sich auf strategische Punkte, Wettbewerbspositionierung usw. konzentrieren wird, werden Product Line Owner ausgewählt, um sich um die individuellen Produkte der Suite zu kümmern – also das Textverarbeitungsprogramm, das Tabellenkalkulationsprogramm, das Präsentationsprogramm und die Datenbank.

Die Product Line Owner suchen sich dann Product Owner, die für die einzelnen Features des Produkts zuständig sind. Der Product Line Owner für das Textverarbeitungsprogramm kann beispielsweise mit einem Product Owner für die Tabellen, einem für die Stylesheets und das Drucken, einem für die Rechtschreibprüfung usw. arbeiten.

Auch wenn der Chief Product Owner zu beschäftigt ist, um als Product Owner für ein Team zu fungieren, ist es doch möglich, dass er der Product Line Owner für einen Teil des Produkts ist.

Um auf unser Beispiel zurückzukommen, kann sich unser Chief Product Owner überlegen, ob er zusätzlich auch der Product Line Owner für das Textverarbeitungsprogramm sein will; vielleicht weil er diese Rolle auch vorher schon hatte.

Ebenso wird ein Product Line Owner auch häufig in die Arbeit involviert bleiben und als einer der Product Owner arbeiten. Vielleicht ist unser Product Line Owner für die Tabellenkalkulation auch als Product Owner für das Team tätig, das die Diagramme zum Tabellenkalkulationsprogramm hinzufügt.

Auch wenn Funktionalität auf diese Weise aufgeteilt werden kann, ist es wichtig, dass alle Product Owner gemeinsam Verantwortung für das gesamte Produkt übernehmen. Und das Gefühl für diese gemeinsame Verantwortung müssen sie auch in ihren Teams verbreiten.

Dieser Text stammt aus dem Blog von Mike Cohn und wurde von uns ins Deutsche übersetzt.

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