Die „Product Scorecard”

Woher weiß Ihr CEO, ob die Arbeit jedes einzelnen Produktmanagers auch auf seine Unternehmensstrategie ausgerichtet ist? Wie teilt Ihr CEO die Unternehmensprioritäten klar und deutlich den Produktmanagern mit? Woher weiß Ihr CEO, welche Produktmanager gute Entscheidungen treffen und wirkliche Fortschritte beim Umsetzen der Unternehmensstrategie erzielen?
Es ist erstaunlich, wie viele Unternehmen keine Antwort auf diese grundlegenden Fragen haben. In den meisten Firmen wird viel geredet und gestikuliert und auch an PowerPoint-Präsentationen mangelt es nicht. Richtige Klarheit darüber, was die Produktmanager eigentlich tun und ob deren Arbeit tatsächlich auf das Geschäft abgestimmt ist, gibt es jedoch kaum.
An dem Punkt fängt man an, Ideen für Features hinterher zu jagen („Sobald wir Facebook Connect hinzugefügt haben, werden die Nutzer unser Produkt lieben”). Wie diese Features jedoch eigentlich zur Unternehmensstrategie beitragen, ist nicht ganz eindeutig. Aber das ist ja kein Problem, schließlich gibt es eine lange Liste mit anderen Produktideen für den Fall, dass diese eine Idee nicht funktioniert.
Man kann nichts verbessern, was man nicht misst
Etwas zu messen ist aber nicht die einzige Möglichkeit, Verbesserungen herbeizuführen. Auch klare Benchmarks und Ziele können Verhalten und Resultate verbessern.
Ich benutze gerne eine „Product Scorecard”, um die Key Performance Indicators (KPI, dt. Leistungskennzahlen) zu erstellen, die alle Manager und die gesamte Produktorganisation nutzen, um Entscheidungen zu treffen und Produkte voranzutreiben.
Nehmen wir dieses Beispiel:
Stellen Sie sich vor, Sie seien ein Produktmanager, der mit Lösungen für Verkäufer mit hohen Verkaufszahlen auf einem Online-Marktplatz betraut ist. Die Unternehmensstrategie, die Sie wählen, hängt natürlich davon ab, in welchem Unternehmen Sie arbeiten. Nehmen wir einfach einmal an, dass das Unternehmen den Großteil seiner Einnahmen durch diese Verkäufer erwirtschaftet und dass sie der Schlüssel für Ihr Unternehmenswachstum sind. Ihre Product Scorecard sieht dann vielleicht folgendermaßen aus:
Durchschnittserlös pro Verkäufer – Weil wir Verkäufer anspornen wollen, mehr zu verkaufen
Durchschnittliche Werbeeinahmen pro Listing – Weil wir die Verkäufer anspornen wollen, ihre Listings so aggressiv wie möglich zu promoten
Gesamtzahl der besten Verkäufer – Weil wir die Anzahl der Verkäufer mit hohen Absatzzahlen steigern wollen
Net Promoter Score (NPS) der besten Verkäufer – Weil wir wollen, dass die Verkäufer bevorzugt unseren Marktplatz nutzen
Hierbei geht es nicht um die spezifischen KPI an sich, sondern vielmehr darum, diese spezifischen KPI zu erstellen und zu priorisieren. Sie können und sollten die Einzelheiten aller KPI und auch deren Dringlichkeit besprechen, um sicherzustellen, dass Sie beim Umsetzen der Unternehmensstrategie auch das richtige Verhalten fördern.
Oft hört man, wie Produktmanager sich darüber beklagen, dass sie nicht die Kontrolle über alle Faktoren haben – wie kann man sie da für die Ergebnisse verantwortlich machen? Da ist etwas Wahres dran. Wenn Sie ein fertig entwickeltes Produkt haben (kein wirklicher Entwicklungsaufwand mehr, außer vielleicht wichtige Bug-Fixes), dann ist es nicht angemessen, von dem Produktmanager verbesserte Ergebnisse zu erwarten. Normalerweise stehen die Zielkennzahlen (Target KPI) jedoch in direktem Zusammenhang mit dem, was man investiert. Wenn Sie ein engagiertes Team haben, das aus einem Produktmanager, einem Designer, sechs Entwicklern und zwei Leuten für die Qualitätssicherung besteht und das ein ganzes Jahr für ein bestimmtes Produkt benötigt, dann sollte man auch erwarten können, dass etwas wirklich Bedeutendes bei dieser großen Investition herauskommt.
Es ist keine Entschuldigung, dass der Produktmanager nicht alle Faktoren unter Kontrolle hat, schließlich ist das in diesem Job nun mal so. Wenn der Produktmanager nicht mit der Strategie zur Neukundengewinnung zufrieden ist, muss er sich an das Marketing wenden und das Instrumentarium für das Online-Marketing bzw. die Suchmaschinenoptimierung priorisieren. Wenn es keine Ressourcen für die Anwenderdokumentation gibt, sollte er gemeinsam mit den Designern den Bedarf für diese Art der Dokumentation verringern bzw. abschaffen oder dafür sorgen, dass neue Ressourcen eingesetzt werden können.
Der größte Vorteil der Product Scorecards ist meines Erachtens, dass sie einem in vielen Fällen helfen können, einen großen Teil des Backlogs bzw. der Roadmap zu beseitigen. Wenn eine Idee für ein Feature sich nicht unmittelbar auf eine der wichtigsten KPI auf der Product Scorecard bezieht, wird sie grundsätzlich gestrichen.
Anmerkungen zur Score Card
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Die Unternehmensstrategie kann und sollte sich mit der Zeit verändern. Nehmen wir noch einmal die oben genannte Scorecard als Beispiel: Wenn das Unternehmen an dem Punkt angelangt ist, an dem es nicht mehr darum geht, neue Verkäufer hinzuzufügen, sondern darum, mit den bereits existierenden Verkäufern mehr Geld zu verdienen, sollten die KPI dies auch widerspiegeln.
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Es gibt auch eine „Balanced Scorecard”, die dieser hier sehr ähnlich ist. Ich würde behaupten, dass die richtige Idee dahinter steckt, es ist jedoch eine sehr spezifische und formalisierte Form einer Scorecard, die erfahrungsgemäß zu kompliziert für die meisten Teams ist. Wenn Sie sie in Ihrer Organisation nutzen, ist das wunderbar. Wenn nicht, können Sie auch einfach einige klare, prägnante und messbare KPI nehmen.
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Einige Teams nutzen diese Scorecards und haben eine Liste von 20 oder mehr KPI für jeden Produktmanager. Zum Großteil liegt der wahre Wert einer Product Scorecard darin, dass es einen klaren Fokus gibt. Man sollte also nur ein paar KPI haben – idealerweise nicht mehr als fünf oder sechs. Der Produktmanager kann viele Daten nachverfolgen, er sollte aber immer nur wenige vorrangige Ziele auf einmal haben.
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Diese Scorecards zu definieren, kann Teams dabei helfen, zu verstehen, wie sie das Produktmanagement für ihre Webseite besser aufteilen können. Es ist wichtig, dass jeder Produktmanager einen eindeutigen Verantwortungsbereich hat. Wenn Sie bemerken sollten, dass es auf der Produktmanager-Ebene zu viele gemeinsame KPI gibt, sollten Sie sie anders aufteilen.
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Jeder KPI sollte auf direktem Wege zu einer oder mehreren der wichtigsten Unternehmensprioritäten führen. Diese Zuordnung sollte vollkommen eindeutig sein. Jeder leitende Angestellte sollte sich die KPI anschauen und erkennen können, warum sie im Fokus stehen.
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Es reicht nicht aus, diese KPI zu erstellen und nachzuverfolgen. Sie müssen in der gesamten Organisation bekannt gemacht werden, damit man sicher sein kann, dass jeder – egal ob im Marketing, im Verkauf, bei der Geschäftsführung, in der Entwicklungsabteilung oder im Kundenservice – versteht, warum man sich auf diese Maßnahmen konzentriert. Unter Umständen müssen die KPI angepasst werden, damit sie besser mit der Arbeit der restlichen Organisation einhergehen. Das ist oft zwischen Verkauf, Marketing und Produkt der Fall.
Aber diesen Schritt können Sie auf eigene Verantwortung auch überspringen.
Sobald die Geschäftsführung den KPI und deren Priorität zustimmt und der Produktmanager ein gutes Verständnis von den Maßnahmen und deren Priorität hat, können Sie das nutzen, um die Leistung dieses Produktmanagers zu messen und zu verbessern.
Dieser Text stammt aus dem Blog von Marty Cagan und wurde von uns ins Deutsche übersetzt.