Den Zeitrahmen von Daily Scrums sprengen

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Mike Cohn
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Eine Regel in Scrum besagt, dass Daily Scrums nicht länger als 15 Minuten dauern dürfen. Ich möchte hier ein Beispiel dafür nennen, wann Teams diese Regel verändern dürfen und vorab eine Idee zur Strukturierung der 16. Minute, denn in einem meiner Certified Scrum Master Kurse schnappte ich folgende tolle Idee auf:

Wenn jemand im Daily Scrum über etwas sprechen möchte, das den eigentlichen Rahmen eines Daily Scrums sprengen würde, kann der Scrum Master sagen: “Das klingt interessant. Lasst uns das für die ’sechzehnte Minute‘ aufsparen.” So kann etwa das Lösen von Problemen oder das Teilen interessanter Fakten usw. auf später verschoben werden. Es ist eine sehr höfliche Art und Weise, sich im Meeting auf das Wesentliche zu konzentrieren aber trotzdem Zeit zu finden, andere wichtige Informationen zu miteinander zu teilen.
Das heißt nicht, dass die “sechzehnte Minute” wirklich in der sechzehnten Minute stattfinden muss und es muss auch nicht genau eine Minute dauern. Es geht eher um das Konzept als um eine genaue Zeitangabe.

Ich hatte leider noch nicht die Gelegenheit, das auszuprobieren, aber ich werde es bald mal versuchen. Ich werde die sechzehnte Minute als Übergang zwischen Daily Scrum und den informellen Diskussionen nutzen, die oft direkt nach dem Daily Scrum aufkommen. Es wird also ein Daily Scrum sein, bei dem alle anwesend sind. Danach gibt es die sechzehnte Minute (wenn benötigt), bei der auch noch jeder dabei ist. Als Scrum Master werde ich dann das Meeting offiziell für beendet erklären, aber die Teammitglieder dazu ermuntern, in kleinen Gruppen die brisanten Themen zu besprechen und die Probleme zu lösen, die im Meeting aufgekommen sind.

Änderungen zum typischen Ablauf im Daily Scrum

Neben der Idee zur 16. Minute, habe ich auch Erfahrungen mit anderen Methoden gemacht, wie man das Daily etwas auflockern und die Mitglieder des Scrum Teams besser kennenlernen und zusammenführen kann. Zwei Ideen davon habe ich hier noch mitgebracht. Beide eignen sich auch hervorragend bei dezentralen oder remote Teams, da gerade bei remote Meetings das zwischenmenschliche gerne mal auf außen vor bleibt.

Daily Scrums bei verteilten Teams

Wenn Teammitglieder nicht alle am selben Ort arbeiten, ist es schwierig für sie, sich kennenzulernen. Teammitglieder, die alle im selben Büro arbeiten, lernen sich über Small Talk kennen. Sie treffen sich vielleicht im Aufzug und stellen sich unverfängliche aber höfliche Fragen: “Schon was fürs Wochenende geplant?” “Wie alt sind deine Kinder eigentlich?” usw. Solch eine Art von Gesprächen gibt es aber nicht bei Teammitgliedern, die an unterschiedlichen Orten arbeiten.

Außerdem sind die Meetings solcher Teams nicht annähernd so locker und verspielt wie die anderer Teams. Einmal habe ich mitbekommen, dass in einem Team jedes Mal eine Gummiratte hochgehalten wurde, wenn sich jemand zu sehr in ein Thema vertieft. (Das kommt von dem Spruch “going down the rat hole” also “im Rattenloch verschwinden”.) Auch wenn Teams ohne gemeinsamen Arbeitsplatz so etwas zwar durchführen könnten, kennen sie sich meistens nicht gut genug, um sich dabei auch wohl zu fühlen.

Als Scrum Master eines Teams, das nicht zusammen in einem Büro arbeitet, finde ich es wichtig, den Leuten die Möglichkeit zu geben, sich besser kennenzulernen. Nur dann können sie nämlich auch auf solch spielerische Art und Weise miteinander umgehen. Gut ist es, jedes Daily Scrum mit etwas Small Talk zu beginnen – was bei anderen Teams ganz natürlich und nebenbei passiert.

5 Minuten Smalltalk im Daily Standup

Diesen Teams sage ich dann, dass es erst mal fünf Minuten für Small Talk gibt. Über das Projekt zu reden ist nicht erlaubt. Die einzelnen Teammitglieder sollen sich darüber austauschen, was ihre Hobbies sind, was die Kinder so angestellt haben, welchen Film sie sich im Kino angeschaut haben usw. Nach fünf Minuten obligatorischen Small Talks fängt dann das reguläre Daily Scrum Meeting an, das genau 15 Minuten dauern sollte.

In den fünf Minuten vor dem eigentlichen Daily Scrum höre ich z. B. gerne etwas darüber, welche Feiertage es bei den Teammitgliedern in anderen Ländern gibt. Zum Beispiel feiern meine Freunde in Norwegen Syttende Mai, den Verfassungstag. Als ich am Telefon zum ersten Mal von einem norwegischen Teammitglied erfuhr, dass am 17. Mai dort nicht gearbeitet würde, wollte ich wissen, was das für ein Feiertag ist. Ist es ein Feiertag an dem man mit der Familie zusammen sitzt und es etwas Leckeres zu essen gibt (wie Thanksgiving in den USA)? Oder ist es ein Tag, den man mit seinen Freunden draußen verbringt (wie der Memorial Day)?

Ähnlich war es, als mir ein Team aus London erklärte, worum es beim Boxing Day geht. Ich hatte schon mal davon gehört, aber hatte mich immer gefragt, warum sich die Briten wohl so gerne Boxhandschuhen anziehen und sich damit schlagen. Außerdem erfuhr ich, warum “Bank Holidays”, also die Bankfeiertage, dort so eine große Sache sind. Als Amerikaner war es mir immer egal, wenn die Banken mal einen Tag geschlossen hatten.

Ziel: Bessere Zusammenarbeit

So lernte ich viel über die Feiertage in den Heimatländern meiner Kollegen. Was aber noch wichtiger ist, ist die Tatsache, dass ich mehr Einzelheiten über das Leben meiner Kollegen in anderen Ländern erfahren konnte. Und dadurch ist unsere Zusammenarbeit besser geworden. Also, obwohl ich für einen Zeitrahmen von 15 Minuten für Daily Scrums bin, plane ich gelegentlich weitere fünf Minuten Small Talk vorab ein. Versuchen Sie es einfach mal. Ich wette, Sie können dadurch viel über ihre Kollegen lernen, die nicht mit Ihnen im selben Büro sitzen.

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