Ergebnisse der Retrospektiven in die Tat umsetzen
Manchmal höre ich von Teams, dass sie aufgehört haben, Retrospektiven durchzuführen, weil sie keine Verbesserungen erkennen konnten. Oft stellt sich dann heraus, dass sie keine guten Verbesserungsmaßnahmen aus den Retrospektiven herausbekommen haben oder dass die Maßnahmen nicht durchgeführt wurden und somit immer wieder in die Retrospektive zurück gekommen sind.
Wenn man nicht handelt, kann man auch nichts verbessern! Hier sind einige Tipps dafür, wie du umsetzbaren Maßnahmen aus der Retrospektive führen und wie du sicherstellst, dass sie auch durchgeführt werden.
Die Retrospektive
Agile Retrospektiven helfen den Teams, sich stetig zu verbessern. In der Retrospektive überlegen die Teammitglieder, was sie in der nächsten Iteration unternehmen können, damit sie sich verbessern. Die Umsetzung dieser Maßnahmen in der nächsten Iteration wird die Arbeit und die Leistungsfähigkeit des Teams schließlich verbessern.
Retrospektiven können bei Scrum oder Kanban genutzt werden, um die Arbeit des Teams zu planen und nachzuverfolgen. Das ist auch der Grund, warum du die Retrospektiven regelmäßig durchführen solltest. Nur, wenn du regelmäßig den Nutzen der umgesetzten Maßnahmen prüfst, wirst du zu einem besseren Ergebnis gelangen.
Umsetzbare Maßnahmen in der Retrospektive bekommen
Wirklich dauerhafte Verbesserungen aus Retrospektiven beginnen damit, dass die Ergebnisse der Retrospektiven umsetzbar gestaltet werden. Ich versuche immer, dafür zu sorgen, dass die Teammitglieder mit Maßnahmen aus einem Meeting herauskommen, die sie direkt in der nächsten Iteration umsetzen können und auch werden. Diese Handlungen sollten zum Status Board und/oder dem Backlog hinzugefügt werden, damit sie immer gut sichtbar sind und nicht in Vergessenheit geraten.
Umsetzbare Maßnahmen sind für mich:
- klein aber kraftvoll
- eindeutig und verständlich
- so formuliert, dass der jeweilige Vorteil klar erkennbar ist
Du solltest auch das „Warum” klären:
- Warum wurde sich für diesen Grund, für diese Handlung entschieden?
- Warum ist das unser zu lösendes Problem?
- Was ist der erhoffte Vorteil?
Dies wird das Team motivieren, die Maßnahmen auch in die Tat umzusetzen!
Lediglich die Durchführung der Retrospektiven zu variieren – wenn auch hilfreich – löst in den meisten Fällen keine Probleme. Man kann dadurch natürlich bessere Maßnahmen finden, weil man mit unterschiedlichen Methoden auch unterschiedliche Erkenntnisse gewinnen kann. Wie man die Retrospektiven gestaltet, ist durchaus wichtig, jedoch müssen Sie die Teams darauf aufmerksam machen, dass man als selbstorganisiertes Team auch selbst dafür zuständig ist, wie man arbeitet und was verbessert werden soll.
Maßnahmen der Retrospektive umsetzen
Wenn ich ein Team coache, versuche ich zu helfen, indem ich die Teammitglieder daran erinnere, die benannten Maßnahmen auch tatsächlich in die nächsten Iterationen einzubeziehen. Das wäre beispielsweise bei einem Daily Standup Meeting der Fall, wenn ich mich mit den Teammitgliedern unterhalte oder wenn sie ein Review machen usw. Ich coache auch die Scrum Master und erinnere sie daran, die Dinge, die sie ursprünglich tun wollten, auch umzusetzen.
Hier ist ein Beispiel eines Teams, mit dem ich zusammen gearbeitet habe: Sie führten eine Retrospektive durch und stellten fest, dass ihre Fähigkeiten und ihr Wissen (weil sie ein multidisziplinäres Team waren) auf die einzelnen Teammitglieder verteilt waren. Wie es Jerry Weinberg in seinem Gesetz der Himbeer-Marmelade aus seinem Buch Geheimnisse der Beratung ausdrückt: Je mehr man etwas verteilt, umso dünner wird es. In einigen Fällen gab es nur eine einzige Person, die eine bestimmte Arbeit ausführen konnte, und das war unerwünscht.
Das Team definierte eine Maßnahme für „mehr Paararbeit”. Diese Maßnahme ist etwas vage formuliert aber wir einigten uns darauf, es als eine Möglichkeit für Leute zu sehen, zusammenzuarbeiten und neue Fähigkeiten und Kompetenzen zu entwickeln. Auf diese Weise wurde die Maßnahme umsetzbar.
Während einer Iteration stellte das Team fest, dass sie bei einem Task nicht weiterkamen. Ein Teil der Software musste getestet werden, die Tester waren allerdings noch damit beschäftigt, andere Module zu testen. Im Standup Meeting erwähnte einer der Entwickler, dass er diese Aufgabe gerne übernehmen würde aber wenig Erfahrung damit habe. Der Scrum Master fragte die Tester, ob einer von ihnen mit dem Entwickler zusammenarbeiten könne, um ihm zu zeigen, wie man testet. Dabei verwies er auf die Maßnahme am Taskboard und erinnerte das Team daran, dass das etwas war, worauf sie sich zuvor für diese Iteration geeinigt hatten. Einer der Tester stellte sich also zur Verfügung und arbeitete für ein paar Stunden mit dem Entwickler zusammen.
Es stellte sich heraus, dass das vollkommen ausreichend war, damit der Entwickler auch testen konnte. Durch die Beantwortung ein paar weniger Fragen war er schließlich in der Lage, diese Aufgabe fertigzustellen. Auch in den nächsten Iterationen arbeitete er an einigen Tasks, bei denen er Tests durchführte und wurde so immer besser. Das Team war daher in der Lage, viel mehr Tests durchzuführen und User Stories fertigzustellen, da das Testen meistens eine Engstelle darstellte und der Grund war, dass Stories nicht abgeschlossen werden konnten.
Sorge also immer dafür, dass die Verbesserungsmaßnahmen gut sichtbar sind. Das hilft dabei, diese Maßnahmen auch tatsächlich durchzuführen, wenn sich die Möglichkeit dafür bietet, da sie jederzeit sichtbar sind für die Teammitglieder.
Nachverfolgung der Verbesserungsmaßnahmen
Normalerweise beginne ich eine Retrospektive damit, mir die Verbesserungsmaßnahmen des vorherigen Meetings anzuschauen, um herauszufinden, ob sie alle umgesetzt wurden. Wenn das nicht der Fall ist (und ich bitte die Teams immer, die Maßnahmen so zu formulieren, dass sie in einer Iteration erledigt werden können), dann frage ich das Team, warum sie das nicht geschafft haben.
Manchmal sind es schlicht und einfach zu viele Maßnahmen (dann empfehle ich gewisse Übungen, um die wichtigsten Maßnahmen zu finden). Manchmal gibt es aber tieferliegende Gründe dafür, dass ein Team sich nicht verbessern kann (in diesem Fall empfehle ich eine Ursachenanalyse).
Teams sollten grundsätzlich mit einer gewissen Anzahl an Maßnahmen aus der Retrospektive herauskommen, die sie in der nächsten Iteration tatsächlich schaffen können. Mit kleinen Schritten kann man eine nachhaltige und kontinuierliche Verbesserung erreichen.
Kontinuierliche Verbesserung durch Retrospektiven
Die Retrospektive ist viel mehr als nur ein Meeting am Ende einer Iteration. Es geht darum, eine Kultur zu erschaffen, in der Teams permanent ihre Arbeitsweise verbessern können.
Ich hoffe ich konnte Ihnen ein paar Ideen vermitteln, wie man tatsächlich umsetzbare Maßnahmen aus den Retrospektiven herausbekommt.
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Dieser Text stammt aus dem Blog von Ben Linders und wurde von uns ins Deutsche übersetzt.