Mut zur Lücke – Aufstiegsmöglichkeiten in agilen Firmen

Früh in meiner Karriere fiel mir auf, dass die Projektmanager in meiner Firma schönere Autos fuhren als wir Programmierer. (Das war bevor die Unternehmen ihre technischen Mitarbeiter wirklich zu schätzen wussten.) Nach einigen Jahren fragte ich meinen Chef, was ich tun müsse, um auch ein Projektmanager zu werden. Er sagte: „Wenn Sie anfangen, sich wie ein Manager zu verhalten, werde ich Sie auch zu einem Manager machen.”
Das war nicht nur seine ganz persönliche Meinung. Ich habe diese Antwort mittlerweile schon von vielen anderen Vorgesetzten gehört. Und im Grunde genommen ist es auch kein schlechter Ratschlag.
Das Problem bei dem Rat war allerdings, dass es einfach keine Möglichkeiten für mich gab, mich wie ein Manager zu verhalten. Jedes Projekt im Unternehmen hatte bereits einen Projektmanager. Wenn ich mich als Manager eines Projekts aufgeführt hätte, das schon einen Projektmanager hatte, wäre derjenige mit Sicherheit sauer auf mich gewesen.
Wenn mein Chef wirklich gewollt hätte, dass ich mich wie ein Manager verhalte, damit er mich befördern kann, hätte er eine solche Position für mich bereithalten sollen, die ich dann hätte ausfüllen können. Tatsächlich ist es eine wichtige Aufgabe einer Führungskraft in agilen Firmen, ein Vakuum zu schaffen, damit die Mitarbeiter aus eigener Motivation die Chance nutzen und diese Lücke ausfüllen können.
Ein solches Vakuum zu erzeugen, bedeutet, bewusst Lücken in einer Organisation zu lassen. Statt eine Person oder eine Gruppe anzuweisen, diese Aufgabe zu übernehmen, sollte eine Führungskraft auf die Lücke hinweisen und warten, was passiert. Der Vorteil dieser Methode ist, dass Leute in den Bereichen arbeiten können, für die sie sich wirklich interessieren.
Vor einigen Jahren arbeitete ich beispielsweise in einer Firma als „VP of Softwaredevelopment”. Einige der ersten XP Teams dieser Firma hatten damals die Vorteile der kontinuierlichen Integration entdeckt und ich wollte diese Methode unbedingt in der gesamten Abteilung bekannt machen. Ich hätte jemanden damit beauftragen können.
Stattdessen sprach ich beim nächsten Abteilungsmeeting darüber, wie beeindruckt ich davon war, was die Teams geschafft hatten, und dass es wichtig für uns sein würde, diese tolle Methode auch mit anderen Teams zu teilen. Ohne explizit darauf hinzuweisen, ließ ich alle wissen, dass es etwas gab, an dem die Leute arbeiten konnten.
Damit das funktionieren kann, müssen „Leader” in agilen Firmen aber natürlich eine Kultur erschaffen, in der die Mitarbeiter nicht jede Minute eines jeden Arbeitstages mit Projektarbeit beschäftigt sind. Die Unternehmen müssen dabei nicht so weit gehen und die bekannte 20-Prozent-Regel von Google einführen. Die Mitarbeiter sollten aber grundsätzlich einen Teil ihrer Zeit Dingen widmen können, die sie sich selbst aussuchen.
Das ist nämlich ein Zeichen dafür, dass die Führungskräfte ihren Mitarbeitern vertrauen. Es zeugt auch von der Erkenntnis, dass auch Manager und andere Führungskräfte niemals alle Prioritäten identifizieren können. Wenn Sie ein „Leader” in einer agilen Organisation sind und das nächste Mal etwas erledigt werden muss, schaffen haben Sie Mut zur Lücke und warten Sie ab, wer sich dieser Aufgabe annimmt, anstatt einfach jemanden damit zu beauftragen.
Dieser Text stammt aus dem Blog von Mike Cohn und wurde von uns ins Deutsche übersetzt.
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