Scrum Master in Vollzeit sind schwer zu verwirklichen
In immer mehr Organisationen wird Scrum als agile Entwicklungsmethode genutzt. Es werden Teams gebildet und Scrum Master festgelegt, damit die Teams damit beginnen können, agil zu arbeiten und sich selbst zu organisieren. Aber auch wenn Agile einem auf den ersten Blick einfach erscheinen mag, stellt sich die Rolle des Scrum Masters oft als schwierig heraus. Lassen Sie uns herausfinden, warum es so schwierig ist, mit Vollzeit-Scrum-Mastern zu arbeiten, und erforschen wir die Alternative, technische Mitarbeiter die Rolle des Scrum Masters übernehmen zu lassen.
Gute Vollzeit-Scrum-Master zu bekommen, ist schwierig
Engagierte Scrum Master in Vollzeit zu haben, die keine anderen Aufgaben oder (technischen) Rollen haben, ist eine oft gewählte Lösung in Organisationen, die anfangen agil zu arbeiten. Diese Leute kommen dann aus dem Projektmanagement oder einem anderen eher „bürokratischen” Management-Ansatz und versuchen wirklich ihr Bestes, die Rolle des Scrum Masters als Servant Leader gut umzusetzen. Aber das stellt sich oft als ziemlich schwierig heraus.
Meiner Meinung nach passen solche Vollzeit-Scrum-Master nicht gut mit größerer Agilität zusammen. Oft funktioniert es eben einfach nicht.
In größeren und bürokratischeren Organisationen mit klassischen Top-Down-Hierarchien gibt es meistens eine Command-and-Control-Kultur. Aufgrund dessen, an was die Teammitglieder gewöhnt sind, werden sie ihren Scrum Master als einen Anführer – einen Manager – ansehen. Sie sehen den Scrum Master als jemanden, der ihrem Team „zugewiesen” wurde und der auf einer höheren Hierarchieebene ist als sie selbst. Genau so sind sie all die Jahre zuvor gemanagt worden. Daher ist es kaum verwunderlich, dass sie daran zweifeln, dass sich mit Agile etwas daran ändern wird.
Leitende Manager, die Agile nicht wirklich verstanden haben, sind oft der Ansicht, Scrum Master seien Manager und Teamleiter. Sie wollen, dass der Scrum Master ihre Verbindung zum Team ist. Er ist dann die einzige Person, mit der diese Manager zusammenarbeiten, und soll sie auf dem Laufenden halten. Anstatt also direkt mit allen Teammitgliedern zu kommunizieren, bevorzugen sie es, nur mit dem Scrum Master zu arbeiten. Sie geben dem Scrum Master Feedback. Sie bitten den Scrum Master, sich um gewisse Dinge zu kümmern, fordern Commitments und erwarten, dass sie erfüllt werden.
Man kann den Managern keine Vorwürfe dafür machen, dass sie solche Erwartungen an die Rolle des Scrum Masters haben. Es wurde ihnen beigebracht, Teams auf diese Weise zu managen und zu leiten. So haben sie es immer gemacht, so hat es für sie funktioniert und so wurden sie erfolgreich. Warum sollte es mit Agile also anders sein?
Für Scrum Master ist das eine schwierige Arbeitssituation. Das Team und die Geschäftsführung sehen sie als Manager. Die Geschäftsführung erwartet von den Scrum Mastern, dass sie die Teams coachen und ihnen auf ihrem Weg zur Selbstorganisation helfen. Zur gleichen Zeit müssen sie aber alles unter Kontrolle behalten. Außerdem werden Scrum Master oft für die Ergebnisse des Teams verantwortlich gemacht. Mit Agile liegt der Fokus darauf, dass Teams etwas dazulernen und sich verbessern – und dabei macht ein Team auch gerne schon mal einen Fehler oder scheitert komplett – aber Manager erwarten, dass vom ersten Tag an eine Verbesserung eintritt.
Mit all diesen unterschiedlichen Erwartungen innerhalb einer Organisation ist es schwierig, die Rolle des Scrum Masters richtig auszuführen. Für die Scrum Master ist es schwer, Vertrauen aufzubauen und eine offene Kultur zu schaffen, in der alle zusammenarbeiten und gemeinsam lernen können.
Letztenendes ändert sich oft gar nichts und die Organisation kann keinen unternehmerischen Nutzen aus Agile ziehen. Mit technischen Teammitgliedern in der Rolle des Scrum Masters kann man echte Veränderungen in Organisationen erwirken und deren Agilität verbessern.
Technische Mitarbeiter in der Rolle des Scrum Masters
Ich bevorzuge es, wenn ein (technisches) Teammitglied die Rolle des Scrum Masters übernimmt, anstatt mit zugewiesenen Vollzeit-Scrum-Mastern zu arbeiten. Sie können die Aufgaben des Scrum Masters neben ihren regulären technischen Arbeiten erledigen.
Eines der Teammitglieder übernimmt also die Rolle des Scrum Masters. Er/Sie unterstützt und lenkt das Team bei der Arbeit und der Umsetzung von Agile. Er/Sie hilft dem Team bei den agilen Vorgehensweisen, auf die sich das Team zuvor geeinigt hat, erinnert die Teammitglieder an wichtige Dinge, gibt Feedback und coacht sie, wenn nötig.
Mit dieser Lösung wird es weniger Widerstand geben und die Akzeptanz im Team wird größer sein, da die Teammitglieder selbst ihren Scrum Master wählen können. Sie können die Rolle des Scrum Masters auch öfter mal neu vergeben, so dass unterschiedliche Teammitglieder die Scrum Master in verschiedenen Sprints sind.
Ein Vorteil davon, den Scrum Master ab und zu auszutauschen, liegt darin, dass sich der aktuelle Scrum Master zusammen mit dem Team auf seinen Sprint konzentrieren kann, während sich der Scrum Master für den nächsten Sprint gemeinsam mit dem Product Owner auf das Grooming des Backlogs konzentrieren kann und so gute User Stories hat, wenn der nächste Sprint anfängt.
In den meisten Teams gibt es keinen wirklichen Bedarf für einen separaten Scrum Master in Vollzeit. Ein selbstorganisiertes Team mit sieben plus/minus zwei Teammitgliedern sollte keine 40 Stunden pro Woche an Management benötigen – nicht einmal 20. Man will keinen Scrum Master, der drei oder noch mehr Teams managt. Es ist besser, wenn die Rolle des Scrum Masters in Teilzeit innerhalb des Teams vergeben wird, da er so immer da ist, wenn er gebraucht wird.
Scrum Master können ihren Teams helfen, Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Sie können ihnen dabei helfen, sich selbst zu organisieren, indem sie ihnen zeigen, wie man solche Hindernisse erkennen und angehen kann. Scrum Master sollten nicht alle Probleme alleine lösen müssen und natürlich sollten sie dem Team nicht vorschreiben, wer die Probleme lösen soll und wie das geschehen sollte.
Warum sind Scrum Master in Vollzeit nötig?
Arbeiten fertigzustellen bedeutet mehr, als nur die Arbeiten an sich auszuführen. Man muss mit den Kunden kommunizieren und sich mit ihnen einigen, was geliefert werden soll. Man muss regelmäßig überprüfen, wie es voran geht und ob irgendetwas das Team bremst. Außerdem muss alles mit den Stakeholdern des Teams abgestimmt werden und es ist gut, wenn man Retrospektiven durchführt, um zu reflektieren und zu lernen. Scrum Master kümmern sich um all diese Dinge und helfen den Teammitgliedern bei der Umsetzung.
Vor einiger Zeit habe ich Nic Ferrier für InfoQ interviewt und er erwähnte, dass erfahrene Teams vielleicht gar keinen Scrum Master mehr benötigen:
InfoQ: Am Anfang – wenn Teams beginnen, mit agilen Methoden zu arbeiten – sind Scrum Master also sinnvoll, nach einiger Zeit werden sie aber unter Umständen überflüssig?
Ferrier: So ist es. Und das ist ein Grund, warum Scrum Master so oft aus dem Team stammen, in dem sie eigentlich eine technische Rolle haben. Dann können sie die Rolle des Scrum Masters nämlich einfach immer mehr auslaufen lassen. Ich glaube jedoch, dass das nicht immer funktioniert, weil die Manager in den Unternehmen die technischen Teams nicht auf eine agile Weise entwickeln lassen.
Jetzt kommt die Frage auf, warum die Retrospektiven nicht einfach von dem Teammitglied geleitet werden, das die Rolle des Scrum Masters hat. Ist es nicht schwierig für sie, da sie ja auch ein Teil des Teams sind und mitentscheiden können, wie die Arbeit gemacht werden sollte? Natürlich ist es das. Ein erfahrener Scrum Master ist aber normalerweise sowohl in der Lage, das Meeting zu leiten, als auch selbst als Teammitglied daran teilzunehmen. Wenn man nicht sicher ist, ob das funktioniert, kann man immer noch einen externen Scrum Master suchen, z. B. jemanden aus einem anderen Team, einen Agile Coach oder einen Moderator, um die Retrospektive durchzuführen.
Dieser Text stammt aus dem Blog von Ben Linders und wurde von uns ins Deutsche übersetzt.
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