Sieben Prinzipien erfolgreicher lean-agiler Unternehmen
Die Einführung agiler Methoden ist relativ leicht und schnell. Der wirkliche Mehrwert entsteht jedoch erst dann, wenn das Unternehmen selbst lean und agil wird. In diesem Artikel erklären wir sieben Prinzipien, welche erfolgreiche Lean-Agile Unternehmen verbinden.
Jedes Unternehmen ist anders. Strukturen, Kunden und Produkte unterscheiden sich – und somit auch die Herausforderungen. Ein Allheilmittel können wir auch nicht anbieten. Stattdessen bieten wir einen Überblick über die verschiedenen Prinzipien, um den individuellen Herausforderungen effektiv zu begegnen.
Werfen wir einen Blick auf die Prinzipien zur Führung eines lean-agilen Unternehmens.
1. Wirtschaftlich denken
Nahezu jedes Produkt enthält eine große Menge Features, die niemand benutzt. Im Umkehrschluss: Die wenigsten Produkte sind auf Mehrwert optimiert. Zu oft sind Unternehmen damit beschäftigt, die Produktivität ihrer Produktentwicklung zu steigern.
So können sie dann in noch kürzerer Zeit noch mehr Dinge bauen, die keinen Beitrag zum Umsatz leisten.
Ich kann aus nahezu jedem Unternehmen, das ich beraten habe, eine Geschichte erzählen, wie Features in die Umsetzung gegeben wurden, bei denen allen Entwicklern schon von Anfang an klar war, dass man damit kein Geld verdienen wird: Die Entscheidungen werden meist nach dem HIPPO-Prinzip getroffen. Und so entgehen massive Gewinne, während gleichzeitig massive Verluste entstehen.
Um wirklich Lean-Agile zu sein, muss die Umsetzung wirtschaftlichen Betrachtungen zugrunde liegen. Dazu gehört natürlich, dass man den maximalen Mehrwert zuerst schöpft. Damit verbunden ist, dass man jederzeit schnell und einfach die Reißleine ziehen muss, wenn die wirtschaftlichen Erwartungen an die aktuelle Entwicklung nicht mehr erfüllbar sind.
Lean-agile Unternehmen setzen ein betriebswirtschaftliches Framework ein, um Subjektivität sinnvoll in Objektivität zu überführen.
2. Systemisch denken
Eine weitere Krankheit vieler Unternehmen ist die lokale Optimierung: So passiert es beispielsweise, dass Entwickler mit Höchstgeschwindigkeit wertvolle Features bauen, die dann wegen regulatorischer Beschränkungen nicht genutzt werden dürfen. Ein Klassiker ist auch ein Vertrieb, der schneller mehr verkauft als geliefert werden kann: Das verärgert Kunden und schadet dem Ruf.
In solchen Fällen ist die zusätzliche Performance eines einzelnen Bereichs nicht nur vergeudet, sondern schlimmstenfalls sogar schädlich.
In einem komplexen System ist eine Optimierung nur dann sinnvoll, wenn das System als Ganzes tatsächlich verbessert wird. Dazu muss man bei jeder Veränderung auch die systemischen Auswirkungen beachten.
Lean-agile Unternehmen bringen die Leute enger zusammen, deren Arbeit sich direkt beeinflusst. Sie arbeiten kontinuierlich an einem besseren Verständnis und Funktionieren des Gesamtsystems. Sie arbeiten auch synchronisiert, das heißt: getaktete, gemeinsame Planung, Produkt-Reviews und Kontinuierliche Verbesserung.
3. Variabilität ist eine Chance
Die größte Vergeudung in der Entwicklung entsteht dadurch, dass man annimmt, die perfekte Lösung schon früh zu kennen. Die frühzeitige Fixierung einer Richtung führt dazu, dass bessere Lösungen unterwegs ignoriert werden. Stellt man im Nachhinein fest, dass die verfolgte Lösung unbrauchbar war, steht man vor einem wirtschaftlichen Totalschaden.
Das Einschießen auf ein spezielles Ergebnis führt auch dazu, dass abzweigende Teillösungen mit Marktpotential nicht erkannt und daher auch nicht verfolgt werden.
Da Produktentwicklung immer eine Innovation darstellt, sollte man sich immer die Möglichkeit offen halten, schnell die Richtung zu wechseln, wenn ein Abweichen von der Vorgehensweise wirtschaftliche Vorteile bringt.
In einem Lean-Agilen Unternehmen schreibt man der Entwicklung keine Wunschlösung vor. Die Entwickler haben Ziele und die Freiheit, in Richtung dieser Ziele adaptiv auf maximalen Mehrwert hin zu arbeiten.
4. Inkrementell liefern und lernen
Viele Unternehmen denken “Was brauchen wir alles, um auf dem Markt erfolgreich zu sein?” Die resultierenden Anforderungen werden schnell lang und verschlingen Unsummen.
Natürlich ist es gut, aus Erfahrungen zu lernen und seine bisherige Marktposition zu nutzen. Doch es gibt einen massiven Unterschied zwischen dem, was in der Vergangenheit erfolgreich war und dem, was zukünftig erfolgreich sein wird: man bräuchte überhaupt keine Innovation, wenn man das Vergangene einfach weiter machen könnte. Eine Produktentwicklung ist immer mit Innovation verbunden. Deren genaues Ergebnis und Herangehensweise sind nicht im Detail planbar.
Innovation bedeutet immer, dass das Resultat mit Ungewissheit behaftet ist. Diese Ungewissheit lässt sich nur reduzieren, indem man ein Stück fertig stellt, begutachtet und wirklich daraus lernt. Dazu gehört auch, dass man beim Betrachten des Ergebnisses mitunter feststellt, dass bereits Teillösungen Marktpotenzial bieten, das man ausschöpfen kann.
Ein Lean-Agiles Unternehmen setzt auf nutzbare, hochwertige Inkremente, um mit minimalen Kosten schon frühzeitig einerseits erste Ergebnisse zu kommerzialisieren und andererseits unbrauchbare Lösungen frühzeitig zu stoppen.
5. Die Meilensteine liegen im Produkt
Traditionelle Meilensteinplanung basiert auf Aktivitäten. So wird beispielsweise “Spezifikation fertiggestellt” als ein Meilenstein verstanden. Entsprechend wird dann auch die Organisation strukturiert, um möglichst effizient sequentiell die einzelnen Meilensteine zu erreichen. Dies erweist sich bei Innovationsprojekten üblicherweise als hoch problematisch: An jedem Meilenstein beweisen die Beteiligten, dass sie ihre Arbeit nach besten Möglichkeiten fertiggestellt haben.
Das Produkt selbst bleibt bis zum Schluss unsichtbar. Nicht selten ist die böse Überraschung am Ende, dass die Summe aller Arbeiten weder erfolgreich noch zielführend war. Statt sich an Verkaufszahlen und unternehmerischem Erfolg zu erfreuen, ist das Ende vieler Entwicklungsprojekte die Suche nach Schuldigen und eine Rechtfertigung des eigenen Verhaltens.
Die Struktur eines Lean-Agilen Unternehmen orientiert sich vollständig am Produkt. Meilensteine lean-agiler Produktentwicklung sind stets nutzbare Produkt-Inkremente mit Funktionen, die ausprobiert, begutachtet und korrigiert werden können.
6. WIP managen
Der fragwürdige Spruch “viel hilft viel” beschreibt allzu oft den Alltag in großen Unternehmen: Um eine große Menge von Mitarbeitern möglichst effizient auszulasten, sind viele große Projekte gleichzeitig in Arbeit. Einerseits beschäftigt sich das Unternehmen gleichzeitig mit vielen Themen – andererseits hat jeder Mitarbeiter zu jedem beliebigen Zeitpunkt eine ganze Reihe unterschiedlicher Aufgaben, die gegeneinander harmonisiert, priorisiert und koordiniert werden müssen.
Wenn Mitarbeiter in mehreren Projekten gleichzeitig eingesetzt werden, verbringen sie leicht den größten Teil des Tages in den Meetings der einzelnen Projekte. Für das, wofür man sie bezahlen sollte – nämlich die Ergebnisse – haben sie keine Zeit mehr!
Der erstaunlichste Punkt: Leerlauf kostet weniger als Überlastung. Dass eine Sache zeitnah fertig wird, ist wichtiger als die Auslastung einzelner Personen! Entstehende Freiräume nutzen lean-agile Mitarbeiter für Verbesserung und Innovation. So bringen sie das Unternehmen als Ganzes voran.
Lean-Agile Unternehmen reduzieren die Menge paralleler Aktivitäten so weit, dass die Jonglier-Aufwände gegen null sinken. Sie entlasten ihre Mitarbeiter, um schneller Ergebnisse zu produzieren.
7. Lean-Agile Führung
Ein Unternehmen ist so agil wie seine Führung. Die Führung gibt Orientierung, Ausrichtung, Unterstützung und Feedback an alle Mitarbeiter. Solange tayloristische Strukturen und Denkmuster im Management etabliert sind, werden sämtliche Verbesserungsmaßnahmen an harte Grenzen stoßen. Schon Edward Deming sagte vor vielen Jahren in seinem Buch “Out of the Crisis”: “Wende die neue Philosophie an. Wir sind in einem neuen Ökonomischen Zeitalter und das (westliche) Management muss sich den neuen Herausforderungen stellen.”
Ein Lean-Agiles Unternehmen nutzt Lean-Agile Führung auf allen Ebenen, bis hin zur Geschäftsführung. Das Management übernimmt persönlich die 6 Aufgaben lean-agiler Führungskräfte.
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